#355: Wenn einer eine Reise macht

Als ich das erste Mal in Toronto spazieren ging, riet mir meine kanadische Familie nichts Wertvolles sichtbar zu tragen. Damals hatte ich noch einen Fotoapparat, der um meinen Hals hing, meine Tasche hielt ich so fest umklammert, als ob sich mein Leben darin befände.

Heute befinden sich Teile unseres Lebens in einem kleinem viereckigen Ding. Während die einen das Handy ständig in der Hand halten, hängt es vielen um den Hals und andere wiederum haben es in der Tasche vergraben. Meines war in meiner Tasche als ich im Bus nach San Pietro beraubt wurde.

Ja ich wurde beraubt mit Handgemenge, standhaftem Wehren – ich bin der Person fest auf den Fuß gestiegen – und Stoßen und nein, ich wurde nicht verletzt, es gab keine Waffe oder andere weitere dramatischen Ereignisse. Es wurde mir „nur“ mein Handy entrissen und trotzdem ist dieses Gefühl des Beraubtseins ein Intensives und höchst Unangenehmes. Es betrifft nämlich nicht nur das physische Gerät, welches einen Geldwert darstellt, sondern auch die Zeit, der ich beraubt wurde, die ich in einer Stadt verbringen wollte, die ich sehr liebe. Zeit für schöne Erinnerungen und Zeit für mich selbst.

Ich wurde in einer Art und Weise meiner Gedanken, Erinnerungen und Teile meines Lebens beraubt. Auf meinem Handy befinden sich Fotos, Memos und Ideen, die mir wichtig sind, und ich rede noch nicht über sensible Daten von Bank, Ausweisen und Passwörtern. Die habe ich relativ schnell löschen, ändern und sperren lassen können, aber das ständige Wiederholen des Vorfalls ist wie ein immer wieder kehrendes Erleben. In den ersten Tagen habe ich in jedem Bus, ganz gleich ob ich drinnen war, oder von außen hineingeschaut habe, nach dem Gesicht des Mannes gesucht.

Die nächsten Tage habe ich sehr bewußt versucht die Stadt, welche ich schon mehr als 12 Mal bereist habe, zu genießen. Die Mitarbeiterinnen im Hotel CitizenM waren eine großartige Unterstützung und haben sich jeden Tag Zeit genommen, um mit mir zu plaudern. Eine Queen Unseen Ausstellung, Pasta, Apero meine Bäckerei am Campo und Trastevere bei Nacht habe ich mir nicht nehmen lassen.

Und das nächste Mal klammere ich mich wohl lieber an mein Handy, als an mein Geldbörserl, so ändern sich die Prioritäten.

#354: Does it spark joy? Das Besitzen von (un)notwendigen Dingen

Ich habe heute den Artikel im Standard ( https://www.derstandard.at/story/2000132723089/besitzen-wir-wirklich-10-000-dinge) gelesen und nicht nur, dass mich der Artikel sofort zum Evaluieren und Nachdenken brachte, was Besitz bedeutet oder welche Zahl wohl eine „Richtige“ wäre – vor allem in Zeiten von Nachhaltigkeit in Vergleich zur Obsoleszenz – so haben mich vor allem einige Kommentare zum Schmunzeln gebracht.

So einer handelte vom Nachlaß und dem Verweilen am Dachboden der Erinnerungen. Jedes Stück hat eine Geschichte oder auch keine und ist vielleicht einfach nur etwas worüber Mann oder Frau seinen Kopf schüttelt.

2020 habe ich mit meinem Bruder die Wohnung unserer Eltern zuerst sortiert und dann geräumt und unser Vater war ein Perfektionist, wenn es ums Besitzen ging. Zum „Leidwesen“ der Nachkommen hat er seine Perfektion in nicht wertvollen Dingen gelebt, dafür sind sowohl mein Bruder als auch ich und die darauffolgende Brut mit mehrfachen Maktias, AEGs usw Werkzeugutensilien (Schleifen, Schweißen, Bohrungen – mehrfach, …) ausgestattet. Auch andere sehr nutzbringende Dinge gab es mehrfach, zb. 9 Bialettis in allen möglichen Größen mit 100ten Dichtungsringen, Radios (mehrere Weltemfpänger), Ladegeräte für Batterien, Batterien, Beschriftungsmaschinen, Laden voller Druckerpatronen usw usf. Alles beschriftet und in eigene Kartons verpackt.

Warum er so viele Druckerpatronen und Papier hatte, haben wir dann auch herausgefunden. Es gab ein Kasterl mit ganz vielen Bene Ordnern, die fein säuberlich beschriftet waren mit Dokumenten, Rechnungen und dann gab es Reihen ohne Beschriftung und als ich damals den ersten Ordner öffnete, schloß ich ihn wieder und versuchte mir einen Überblick zu verschaffen, um wieviele solcher Ordner es sich wohl hier handelte. Mehrere Ordner voll von erotischen Bildern – fast nackte Frauen, die ihre Geschlechtsmerkmale immer vordergründig zur Geltung bringen wollten – aber nix Unanständiges. Da dich dieses Erlebnis nicht alleine „genießen“ wollte, habe ich auf meinen Bruder gewartet, damit auch er dieses Aha-Erlebnis haben konnte (natürlich ohne Vorwarnung). Jedes Bild war fein säuberlich ausgedruckt und in eine hochwertig dicken Klarsichthülle gelegt. Unser Anspruch nachhaltig zu trennen und ökologisch zu agieren wurde hier erstmals tatsächlich auf die Probe gestellt.

Aber es gab auch „nutzvolle“ Dinge (je nach Sichtweise), wie Verbandsmaterialien und mehrere Diabetesgeräte mit neuverpackten Nadeln , die der Hit in einem Männerheim waren. Mein Vater hatte auch mehrere Flaschen von 750 ml Parfum Brut Brut Black, weil er sich während seiner Krankhauszeit erinnerte, dass damals (60er/70er) das Parfum sehr „inn“ war und es doch Zeit wäre, nach dem Tod meiner Mutter, sich attraktiv für die Frauenwelt zu machen. Mein dezenter Hinweis damals, dass ein volles Gebiß (während seines Aufenthalts verlor man seine untere Zahnprotese) vielleicht sinnvoller wäre, schmetterte er ab. Er meinte, dass ich schon oberflächlich wäre und es doch um die inneren Werte ginge.

Mein Vater hatte von einigem so vieles, vor allem in allen möglichen Variationen und zumeist neu verpackt und nicht verwendet. Auch ich habe mir damals gedacht, ich will das meinen Kindern nicht antun – gut Pornobilder habe ich eh keine – aber in der Rückblende hatten wir die Chance uns mit unserem Vater auseinanderzusetzen mit ihm und seiner Eigenart Dinge zu besitzen und zu pflegen (ich habe auch bis an mein Lebensende Schuhputzzeug). Mir hat es zumindest retrospektiv geholfen, joy hat es aber nie gesparkt.

#353: Notiz an mich

Ich habe in letzter Zeit, geplant ungewollt, mehrere stationäre Krankenhausaufenthalte hinter mich gebracht. Einerseits schon mal nicht lustig in Zeiten wie diesen, wo einem niemand besuchen kann, andererseits herrlich, dass niemand einem unterbricht, wenn man gerade einfach schlafen, lesen oder fernsehen will.

Aber ich schweife ab. Denn gleich nach dem ersten Mal, als ich im Stationsbereich darauf wartete mein Bett zu bekommen, wurde mir schlagartig bewußt, was alt und/oder krank sein bedeutete. Auch wenn auf dieser Station viele SchlaganfallspatientInnen oder PatientInnen mit Demenz und Folgeerkrankungen waren, und jede bzw jeder sein eigenes Schicksal zu verarbeiten hatten, so war es ernüchternd diese Hilflosigkeit und Bedürftigkeit zu sehen.

A B E R – auch wenn zum Leidwesen der Pfleger und Pflegerinnen – gab es ganz viele, die Widerstand gegen ihre Situation und nicht den Personen vor Ort leisteten. Zu versuchen aufzustehen, auch wenn es kontraproduktiv ist. Sich fortzubewegen, obwohl eingeschränkt durch Rollstuhl und Patienten um einen herum. Mit der Gabel zu essen, auch wenn der Löffel daneben liegt und durch die Schwester angeboten. Mir ist bewußt, dass es die Pflege und Krankenbetreuung nicht einfacher macht, aber es ist andererseits auch ein Akt zur Selbstbestimmung.

Und so habe ich mir gedanklich eine Liste gemacht, während ich so da saß und beboachtete.

  1. Pyjama. Immer den eigenen Pyjama mitnehmen und am besten gleich mehrere.
  2. Loungewear. Oder ganz einfach gemütliche Jogginghose. Wenn ich hübsche Pfleger oder Ärzte erwarte oder erhoffe, dann auch durchaus etwas stylishes oder witzig. Witzig geht immer, so habe ich vor Weihnachten meinen Last Christmas Sweater und mein Grinch T-Shirt miteingepackt und es zauberte ein Lächeln auf das Gesicht meines Gegenübers.
  3. Unterwäsche. AUSREICHEND, dass muss oder sollte ich nicht einmal erwähnen müssen, aber wer weiß, ob ich dass irgendwann dann noch weiß.
  4. Schlapfen. Patschen. Flip Flops. Sneaker. Der Weg zur Toilette, zu den Untersuchungen oder das Rundendrehen im Spital sollte mit geeignetem Material bewältigt werden.
  5. Beauty. Man muss weder stinken, noch schiach aussehen. Und wenn es mich glücklich macht, dann hau ich mir eine Maske rauf oder schmier mir was ins Gesicht. Also sich selbst zu pflegen ist auch eine Art sich selbst zu lieben und sich etwas Gutes zu tun, auch wenn es vielleicht gerade nicht gut läuft.
  6. Lesematerial. Auch Schund und Gossip Magazine gehören dazu, es entlüftet so schön mein Gehirn.
  7. Sonstiges. Angefangen von Kopfhörern, um die Welt um einen rundherum auszublenden bis hin zum Teebeutel (merke Melisse ist nicht so meins) ist alles erlaubt.

Die Mitte finden

Letztens war ich bei einer Heilmasseurin, die mir von meiner lieben Freundin S. schwer empfohlen wurde. Wie es sich für gute Freundinnen gehört, hat sie mir schwer in den Hintern getreten, dass ich endlich was mache. Ich wurde nämlich Mitte August von einem Auto als Fußgängerin angefahren.

Auch wenn ich kurz abschweife, so ist es beeindruckend, was ein Gehirn und Instinkte so leisten können. Ich bin mit meinem Jr. über eine Straße geganen (ungeregelte Kreuzung) und habe aus dem Auge ein Auto in der Ferne wahrgenommen, aber weit genug weg, um sicher über die Straße zu kommen. Als wir wir schon einige Schritte auf der Straße waren, merkte ich, dass das Auto nicht wirklich langsamer wurde, sondern eher gleichbleibend – wahrscheinlich weil die Ampel an der anderen Kreuzung grün war (nur eine Hypothese oder Erfahrungswert) – und ich hob die rechte Hand um uns sichtbarer zu machen. Im nächsten Moment wußte ich nur, dass ich mir dachte, dass geht sich nicht mehr aus. Und dann mußte ich wohl alles nur noch gleichzeigt gemacht haben. Kind auf die Seite schieben, weil es ging genau auf der Seite von der das Auto kam, mich auf die Seite drehen, damit ich nicht von vorne angefahren werde. Spürte das Auto links an der Hüfte, rollte mich über den rechte Seite ab und was für mich das schlimmste war, war dass ich auch mit dem Kopf aufkam und liegen blieb und Angst hatte, dass das Auto sich weiterbewegen würde.

Natürlich hat der Autounfall Spuren hinterlassen, nicht nur körperlich. Auch die Gehirnerschütterung macht den Alltag nicht immer einfach. Es ist frustierend, wenn einem die einfachsten Worte nicht einfallen. Motorhaube! Ich musste zu Beginn meinem Radiologen erklären, wo meine Hüfte aufgeprallt ist. Er meinte, ich soll mich nicht stressen, das wird wieder. Die Worte kamen wohl bei mir an, aber es ist trotzdem so unglaublich so einfach Worte nicht zu finden, kein Wortbild von ihnen zu haben.

Und dann steht man per Zufall vor so einer Motorhaube (ich am Gehsteig und das Auto parkte), die das gleiche Markenzeichen fett vorne prangen hat, die die gleiche Farbe hatte, mir entgegenschrie und das einzige, was ich machen konnte, war stehen zu bleiben. Und es ist so, wie es in Geschichten steht. Man hält den Atem an und es scheint, als würde die Welt stehen bleiben und alles um einen herum fokussiert sich nur auf dieses Ding vor mir. Und genauso schnell ging dieser Moment auch wieder vorbei. Ich atmete durch und stellte mich dem Ungetüm der Angst. Mir wurde bewußt, dass sowohl ich aber vor allem mein Sohn Glück hatten. Es hätte auch alles ganz anders ausgehen können. Was sind da ein paar Wörter die fehlen.

Meine Therapeutin hat es auf den Punkt gebracht, sie bringt mich wieder in die Mitte. Auch wenn sie meine vorderrangig meine Hüfte meinte. Sie hat absolut Recht. Ich will wieder meine Mitte finden und das ist gar nicht so einfach, weil es diese Mitte nur vage gibt. Es ist weder ein fixer Ort noch hat einen absoluten Punkt in meinem ureigenen System. Aber zumindest ist meine Hüfte ausgerichtet. Nur mein Kopf will nicht immer so, wie sie oder ich will, nämlich seine Zentrierung finden.

#352: Rosen erblühen in Malaga

Olé

Schon länger habe ich vor mich von meinem Vater auch schriftlich zu verabschieden und als ich letztens dieses Lied im Radio gehört habe, nahm ich Cindy und Bert zum Anlass meinen Erinnerungen Platz zu geben.

Überhaupt scheint es, dass mein Unterbewußtsein all‘ diesen alten Texte hervorgrabt, vor allem wenn es so scheint, als ob ich vom deutschen Schlager der 60er und 70er Jahre verfolgt würde. Psychologisch gesehen ist es einfach, mein Gehirn ist selektiv und nutzt die Möglichkeiten – im Auto switche ich immer wieder zu Radio Burgenland (!) und NÖ – die sich ihm bieten.

Memories of Heidelberg sind Memories of you und von dieser schönen Zeit, da träum ich immerzu. Mein Vater war leidenschaftlich, wenn es um Musik ging. Am Sonntag hörte er liebend gerne Marschmusik im Radio und wenn ich heute in der Stadt unterwegs bin und es der Zufall will, dass auch eine Marschkapelle spielt, bleibe ich stehen und höre zu.

Mein Vater hat es mir ermöglicht eine Breite an Musik kennenzulernen, die bei Glen Miller beginnt und nie zu Ende geht. Ich habe jetzt überlegt, wo ich ein Ende setzen wollte, sollte oder könnte, aber es gibt keines. Im Geiste gehe ich all‘ die hunderten Single Platte durch, die ich von ihm habe und auch dort ist alles wild durcheinander.

Er hatte immer erzählt, dass ich schon in der Krippe nur bei Musik aktiv geworden bin und vor allem La Paloma Blanca eines meiner Lieblingslieder war. Ich habe auch lange vorher getanzt bevor ich einen Schritt gegangen bin.

Väter sollten Helden sein und in diesem Fall war mein Vater mein MC Held.

Das er nicht überall ein Held war, ist einfach oft dem Leben geschuldet und vor allem außerhalb unserer (und ich meine die meines Bruders oder meiner) Reichweite und Möglichkeiten. Man liebt deswegen nicht weniger. Und die Traurigkeit manifestiert sich in Kleinigkeiten der Erinnerungen an meinen Papa. Und es sind diese Erinnerungen an denen ich auch festhalten mag. Schöne, lustige und absurde Erinnerungen, die einem ein inneres Lächeln geben.

Eine solche absurde Erinnerung steht jetzt auch in meinem Wohnzimmer. Ich habe es nicht über das Herz gebracht die Westminster Tischuhr wegzugeben. Schon meine Großmutter hatte so eine Uhr bei sich in der Wohnung stehen und mein Vater hat sich dann auch eine gekauft. Natürlich manuell aufzuziehen mit einem herrlichen Glockenwerk, welches jede viertel Stunde uns verkündet, dass eine viertel Stunde vergangen ist. Die Meinungen in meinem Haushalt sind geteilt und vor allem die Prinzessin ist am lautesten, wenn sie mir mitteilt, wie sehr sie diese Uhr haßt. Ich bin noch indifferent und habe meinem Bruder schon angedroht, dass diese Uhr irgendwann einfach bei ihm steht und er sie aufzuziehen hat. Und wenn die Uhr Glück hat, steht sie irgendwann dann beim Nachwuchs, weil es genau diese Erinnerungen sind, die bleiben und Geschichten erzählen.

In ewiger Erinnerung an meinen Master of Ceremonies.

#351: My home is my Castle

Ich habe von einigen gehört, dass sie die Zeit gerade dazu nutzen, um auszusortieren, zu putzen, es sich gemütlich zu machen. Wir erleben eine neue Biedermeierzeit und zwar auf vielen Ebenen.

Letztens erst wieder habe ich einen kritischen Blick durch mein Wohnzimmer streifen lassen, um einerseits in tiefste Verzweiflung zu verfallen und andererseits mich selbst zu bemitleiden, warum ich nicht ein Pinterest/Instagram Wohnzimmer haben kann, wo Decken schön gefaltet sind, um ordentlich auf dem bröselfreien Ohrensessel (leider hat mein Wohnzimmersessel keine Ohren, aber ich hätte halt so gerne einen gehabt) zu liegen, natürlich farblich abgestimmt. Der Wohnzimmertisch poliert und frei von jeglichem Unrat. Generell läge nichts Unnötiges im Wohnzimmer herum.

Wie man unschwer am Wort „läge“ erkennen kann, bin ich meilenweit von diesem Umstand entfert. Schulsachen, Gläser – ich wußte nicht, dass man so viele Gläser von leer bis halbvoll herumstehen lassen kann – Stifte und Kinder tummeln sich ständig in diesen vier Wänden. Mit den Kindern kommen auch die Dinge, die sie ständig vergessen, verlieren und weglegen. Dinge sind alles, was in 2 Hände, 2 Arme und Hosentaschen passen und das kann wirklich viel sein.

So hat die Prinzessin zwar kurze Haare, aber die letzten Tage finde ich ständig Spangerln, die am Boden, zwischen den Sesseln, am Tisch oder am Kasterl liegen. Weder Schreien, Nachtragen, Wegräumen oder gut Zureden meinerseits hat die Situation verbessert oder geändert. So liegt seit Tagen oder Wochen und schlimmstenfalls Monaten die Bluetooth Box im Wohnzimmer und hat wahrscheinlich nur wegen der Erosion der Staubanhäufung ihre Position verändert.

Letzten Freitag habe ich dann kurz einen Koller bekommen den Sohn im Arbeitszimmer Platz geschaffen, damit er alle seine Schulsachen geordnet und aufgeräumt dorthin platziert. Und man sehe und staune, heute Montag haben „nur“ die Biologiebücher ihren Weg ins Wohnzimmer gefunden, neben 2 Linealen und einem Spitzer.

Mein Plan für diese Woche ist, dass ich den Lautsprecher aktiviere und Disko im Vorgarten machen, lauthals mitsinge mit einem Glas in der Hand. Ich verordne mir außerdem selektives Sehen und ignoriere Pinterest und Instagram. Zumindest bis zum nächsten Koller.

#350: Kollateralschäden

Ich habe lange überlegt, was ich mit meiner Erfahrung von vor einer Woche anfangen sollte. Aber ich bin zu keiner für mich geeigneten Lösung gekommen, daher ist Schreiben wohl das Mittel der Wahl.

Mein Vater hat Krebs. Die Lunge weist ein paar Tumore auf und da diese zur Zeit nicht operabel sind und seine Gesamtkonstitution eher als schlecht einzuschätzen ist, ist auch eine Chemotherapie nicht möglich. Das heißt er wird bestrahlt. Heute Dienstag war seine vorläufig letzte Bestrahlung, um in 3 Monaten mittels eines Kontroll-CTs zu eruieren, wie erfolgreich oder nicht-erforlgeich die Bestrahlung war. Eigentlich wäre letzte Woche Freitag der letzte Termin gewesen und auch das Gespräch mit dem Arzt, wo mein Bruder und ich dabei sein hätten wollen. Aber wie so oft, kommt alles anders und vor allem als man denkt.

Vor einer Woche am Dienstag habe ich mit meinem Vater telefoniert, um zu hören, wie es heute bei der Bestrahlung war, ob er was braucht, ob Transport und Abholung auch gut funktioniert. Er hörte sich etwas erschöpft an, und erzählte mir, dass der Arzt festgestellt hat, dass er Wasser in der Lunge hätte und ob er Probleme mit dem Atmen hat. Wie immer hat er seine Situation herunterspielt und in einem Nebensatz erwähnt, dass er schon auf den Küchentisch einen Polster gelegt habe, da er im Liegen nicht richtig atmen könne. Nachdem ich auf ihm gesagt hatte, dass er mich bitte zu jeder Tages und Nachtzeit anrufen soll, war für ihn klar, dass er das schon alleine lösen könne.

Dem war nicht so und um kurz vor 9 Uhr abends bekam ich einen Hilfe-Anruf mit dem Satz: „Ich bekomme keine Luft!“ Also rief ich die Rettung und gab alle Informationen weiter, wie Krebspatient, Bestrahlung, Wasser in der Lunge, bei Atemnot dringend ins Spital, dringend!, schlechter Zustand, Lungen- und Herzkrank und natürlich Adresse. Ich zog mich noch schnell um – ich glaube im Bademantel wollte ich dann doch nicht hinauslaufen – lief zum Auto und fuhr wie eine gesenkte … in Richtung meines Vaters. Auch bei ihm sprintete ich zu ihm und fuhr in den 7ten Stock und war mehr als erstaunt, dass ich trotz guten 5 Minuten Verlust früher dort war. Insgesamt warteten wir dann noch weitere gute 5 Minuten als es endlich an der Gegensprechanlage läutete. Mein Vater schwankte am Stuhl gefährlich hin und her und ich versuchte ihn zu beruhigen.

Als der Sanitäter und Sanitäterin mir entgegen kamen, fragte ich die Beiden, wo den der Transport wäre, den ich habe ja am Telefon erklärt, was die Situation wäre. Als Antwort bekam ich, dass man sich das einmal ansehen müsse! Ernsthaft?

Nachdem das Atemfrequenz bei geschätzt – das erste Mal zeigte es nämlich nichts an – 60 % lag (oder darunter), wurde man etwas nervös. Ich weiß nicht, wie oft ich in diesem Moment erwähnt habe, dass er ins Spital müsse, da er Wasser in der Lunge hätte und nicht atmen könne. Das Wasser in der Lunge konnte der Sanitäter dann auch hören und die Befunde, die ich ihm gegeben habe, zeigten wohl den Ernst der Lage. Also rief man dann doch den Träger und die Notärztin – weil nur die sagen kann, dass ein Patient eingeliefert gehört. In der Zwischenzeit sind schon 20 Minuten vergangen. Gute 15 Minuten später ist die Notärztin da und bevor ich ihr zum gefühlt 100ste Male alles erzähle, bleibt sie an der Türe stehen, um zu fragen, ob der Patient Fieber habe – nein hat er nicht – und dann mich ansieht und fragt, ob wir einen Fall von Covid hätten und ob ich mir sicher wäre und überhaupt und außerdem. Was ich durchaus zu einem gewissen Grad nachvollziehen kann, aber mir subjektiv emotional schwer tue, wenn mein Vater seit über 30 Minuten mit der Beatumungsmaschine nur atmen kann und er sich vor Schmerzen krümmt.

Da ich wohl glaubhaft bin, ging dann erstmals die Versorgung recht schnell, Venenzugang und Spritze über Spritze, die Beatmung funktioniert nur über das Gerät und ich beantworte Fragen über Fragen. Nur mein Hinweis, dass es wohl am klügsten und effizientesten (!) wäre meinen Vater ins SMZ Ost zu bringen, kommt wohl bei den anwesenden Personen an, aber nicht in der Leitstelle. Sie haben ein Überwachungsbett in KH Nord. Da im SMZ Ost keine Überwachungsbetten gäbe. Da werde ich wohl etwas ungemütlich und erkläre ihnen, dass das so nicht stimmt, da mein Vater schon letztes Jahre neben 2 Intensivstationsaufenthalten im SMZ Ost überwacht wurde. Ich bitte die Ärztin doch bitte anzurufen, weil es doch keinen Sinn macht, wenn er die Bestrahlung im SMZ Ost machen soll, warum sollte man ihn dann täglich von A nach B führen, wenn vor allem die komplette Krankengeschichte vor Ort liegt. Sie gibt mir Recht und beginnt zu telefonieren und überzeugt einen Arzt vor Ort meinen Vater aufzunehmen.

Mein Vater hat Glück, weil er hat meinen Bruder und mich, die Druck machen und da sind, Fragen stellen und versuchen zu hinterfragen. Wie groß wird der Kollateralschaden sein für das System, wenn wir all jene vergessen, die krank sind, krank werden (und ich meine nicht den Virus). Diesmal hatten wir nicht einmal das Problem, dass sie unser Vater schnell von der Station musste, weil es eh genug freie Betten gäbe (O-Ton).

Ich frage mich, warum die Rettung nicht schneller war als ich?

Ich frage mich, warum trotz genauer Angaben zur Situation des Patienten kein Arzt, kein Transport vorgesehen war?

Ich frage mich, warum ein Virus unser System so nachhaltig beeinflussen kann und alle anderen schweren Erkrankungen (Diabetes, Krebs, Herzerkrankungen, Nieren, ….) so vernachlässigt werden.

Ich frage mich, ob ich die Antworten ehrlich wissen will?

#349: der blade Zombie – die Bekämpfung der Zombie-Apokalypse

Ich frage mich, ob Zombies zunehmen können? Raj – aus Big Bang Theory – stellte ja einmal die Frage, ob Zombies verhungern können. Es läuft ständig jemand herum und ist auf der Suche nach Essen, sogar der Hund ist der ständige Begleiter in der Hoffnung, dass etwas auf den Boden fällt.

Ich koche ja gerne und zu meinem Überdruß nutze ich jetzt die Zeit auch noch dazu, um zu backen. All‘ die Sachen, die ich immer einmal machen wollte. Letztens sogar eine Osterpinze und Brot, Weißbrot und Sauerteigbrot. Und ich liebe ja Brot. Ich glaube ja, dass das an meinen Balkangenen liegt. Da ist man auch Brot zu allem und jedem.

Meine Mama hat manchmal Weißbrot gemacht und da habe ich gelernt, dass frisches warmes Brot das Beste ist, was es gibt. Vor allem, wenn man die Kruste bricht und es so herrlich frisch nach Germ duftet. Aber ich habe auch gelernt, wobei gelernt ist nicht das richtige Wort dafür, eher ich bin ermahnt worden, dass warmes Brot Bauchweh verursacht.

Damals wie heute ignoriere ich solche Unkenrufe, Binsenweisheiten oder Legenden (denke man an das Herunterschlucken von Kaugummis). Von der Osterpinze hat noch nicht einmal ein Stück den nächsten Tag überlebt, das Brot war auch immer fast am gleichen Tag weg und es war herrlich. Ich glaube ja nicht, dass ich Bauchweh deswegen hatte. Die Hypothesen sind breit gefächert und müßten wissenschaftlich untersucht werden.

Also heißt es weiterbacken. Zu Ostern bietet sich hier ein Kärtner Reindling an, dann steht ein Nugat-Marzipan Kuchen am Plan, selbstgemachte Pizzen (Mehrzahl deswegen, weil man auch ausprobieren muss, was gut ist), Brote und was mir noch so über den Weg läuft.

Also nein, Zombies können nicht verhungern, aber ich glaube schon, dass sie blad werden.

#348: Die Zombieapokalypse oder der Lagerkoller Teil 4

oder sind wir schon bei Teil 5 und wann sterben endlich alle? Ich habe letztens den Film Contagion mir angesehen. Der Film ist übrigens aus dem Jahr 2011 und mit großartigen Schauspielerinnen wie Kate Winslet, Marion Cotillard, Gwyneth Paltrow oder Schauspielern wie Matt Damon, Jude Law oder Laurence Fishburne.

Ich habe mir den Film bewusst angesehen, da ich schon viele Zombieapokalypsenfilme, wie 28 Days later, dann auch noch Wochen dazu, oder The Rain … angesehen habe, aber bei Contagion verwandelt sich niemand, man stirbt nur, ganz unpretentiös und ohne jemanden auffressen zu wollen.

Er zeigt mit einer unglaublichen Banalität, wie die Verbreitung von Viren funktionieren können und könnten. Und er zeigt die hässliche Fratze des Menschens – großartig von Jude Law gespielt, aber auch die Sehnsucht nach etwas Normalität. Diese Sehnsucht verspüre ich auch. Und manchmal habe ich die Angst, dass wir vergessen könnten, was Normalität bedeutet.

#347: Lauf Baby Lauf

Zumindest habe ich mir das heute gedacht und voller Euphorie (mehr oder weniger, eher weniger) meine Laufschuhe angeschnallt, um die fehlende Bewegung auszugleichen. Und ich war wirklich motiviert, hatte nämlich schlechte Laune, ob der Lernsituation, dem Eingesperrtsein und der zu hohen Kalorienzunahme. Außerdem ging ich von einer vollkommen verzerrten Wirklichkeit aus, dass ich durch meinen Hund und der täglichen Bewegung absolut fit wäre, meine Kondition den roten Gürtel widerspiegelt und ich gestärkt nach ein paar Kilometer retour käme.

Die Musik im Ohr und die Sonne im Gesicht ging es zumindest einmal durch den Hof und Richtung der ersten 100 m, dann spürte ich schon den ersten Krampf oder Muskelzwicken in den Beinen. Die Säure in meinen Beinen macht einmal meine Laufambitionen langsamer, aber ich hatte zumindest genügend Luft zum Atmen und so bin ich verbissen weiter.

Natürlich habe ich versucht einen Blick auf meine Laufuhr von Garmin zu erhaschen und mein Puls war in einem guten Bereich, während die Zeit aus dem Blickwinkel nur falsch sein musste. Also schüttelte ich die Uhr – vielleicht blieb ja ein Zeiger auch in der digitalen Welt hängen – und wartete auf den ersten Kilometer. Erschüttert, ob der schlechten Leistung versuche ich das Tempo zu erhöhen, um es gleich wieder zu drosseln. Zwar sind die Beine warm, aber der Schweiß scheint meine Atemfrequenz zu erhöhen.

Also suche ich mir ein anderes Lied. Gefühlte 5 Lieder weiter bin ich bei den Black Eyed Peas gelandet und pumpe nochmals meine Lungen zu Pump it auf. Und es funktioniert, ich werde zumindest um 10 Sekunden auf den Kilometer schneller. Das motiviert und ich beginne zu den Liedern mitzusingen.

*Memo an mich selbst* Bist du außer Form singe nicht mit beim Laufen.

Ich werde wieder langsamer. An der alten Donau sehe ich viele Läufer und ich scheine so sportlich auszusehen, dass mir manche zuwinken (vielleicht haben sie aber auch nur Mitleid und wollen mich motivieren). Ich geniesse es, wie die Sonne in mein Gesicht scheint und erreiche Kilometer 3 und gleichzeitig Udo Jürgens mit „Immer wieder geht die Sonne auf“. Ich frage mich gerade, ob das Lied mich motivieren soll in Zeiten von COVID oder Laufen. Ich bin mir nicht sicher.

Ich mache eine Kehrtwende und laufe nochmals 2 Kilometer und merke, wie ich im 200 Meter Rythmus immer wieder auf die Uhr schaue. Es geht nicht schneller, was definitiv an mir liegt. Wobei der vierte Kilometer ist definitiv mein Schnellster, wieder 10 Sekunden schneller, was sich sofort in Seitenstechen bemerkbar macht. George Harrison mit My sweet Lord ist hier das passende Lied und ich frage mich einerseits, welcher Teufel mich geritten hat, dieses Lied in meine Playlist zu geben und warum beim Shuffeln genau dieses Lied kommt; welche versteckte Botschaft steckt dahinter.

Nach 5 Kilometern bin ich noch nicht daheim und da ich definitiv nicht weiterlaufen will, ersetze ich Laufen mit anderen Übungen, um quasi diese letzten Kilometer effektiv zu nutzen. Also wenn jemand jemanden hopsend, Knie in die Höh‘ springend, Ferse an den Po drückend und mit weiten Schritten und in die Knie gehend gehen sah, dann war das ich.

Zu Hause habe ich mich dann einmal selbstbemitleidet. Einer Freundin von meiner Heldentat erzählt, die das nämlich als Heldentat gesehen hat. Danke übrigens dafür.